Welches Land mit kurzer Anreise, das wir noch nicht kennen, ist im Oktober noch zeltbar? Albanien. Los geht’s am Samstag, 30. September 2023 mit dem Flieger von Karlsruhe nach Tirana.
Samstag, 30. September
Kein Urlaubstag ohne Abenteuer. Nach einem zweistündigen Flug sind das Tandem, alle Gepäckstücke und wir gemeinsam in Tirana gelandet. Bei strahlendem Sonnenschein und zwei Stunden bis Sonnenuntergang haben wir uns entschieden, das Tandem am Flughafen aufzubauen und kein Taxi ins Hotel zu nehmen. Beim Einbau des Hinterrades mussten wir feststellen, dass die Bremsscheibe einen Schlag abbekommen hat und das Fahrrad nicht fahrtauglich ist.
Einen der Parkwächter, der uns schon eine Weile zugeschaut hat, habe ich dann nach einem Hammer gefragt. Habe gesehen von einem Gummihämmerchen befand sich allerdings kein Hammer in seinem Werkzeugkasten. Er holte einen großen Maulschlüssel heraus und meinte „pling pling pling“.
Es gelang mir, die Bremsscheibe auf eine halbweg fahrbare Verformung zurückzubiegen.
Die Warnung des Telefonkartenverkäufers, auf keinen Fall in der Dunkelheit zu radeln, konnten wir dann nicht mehr berücksichtigen. Jedenfalls sind wir gesund und wohlbehalten am Hotel angekommen.

Sonntag, 1. Oktober
Heute war der Tag der Entscheidungen und ihrer Auswirkungen. Geplant war eine Strecke von 75 km und 800 Höhenmetern. Das Hotel unserer Wahl lag leider am „falschen“ Ende von Tirana – plus 10 km. Wir nehmen den falschen Ausgang aus dem Stadtwald von Tirana – plus 10 km. Die Waldabfahrt nach Elbasan ist verblockt und vermittelt nicht wirklich Freude am Fahren. Wir nehmen die Hauptstraße und kommen 10 km weiter östlich unten an – plus 10 km. Dabei sammeln wir insgesamt 500 zusätzliche Höhenmeter ein.
Entschädigt werden wir durch eine tolle Gebirgsstraße…
… mit herrlicher Aussicht…
… und einem bequemen Bett in einem piekfeinen Hotel am See von Belsh.
Montag, 2. Oktober
So wie in Deutschland in einigen Regionen jeder seine Solarzelle auf dem Dach hat, scheint in Albanien zwischen Belsh und Berat jeder seine private Ölförderpumpe im Garten zu haben.
Nach einer kurzen Erholungsetappe (40 Kilometer, zweieinhalb Stunden) kommen wir bereits mittags in Berat an. Somit haben wir noch genug Zeit, die 1000 Fenster der Stadt zu zählen.
Hurra! Der örtliche Campingplatz hat drei geeignete Bäumchen für unser Zelt.
Dienstag, 3. Oktober
Die Rösterei, die wir gestern Abend entdeckt haben, bereitet auch ein hervorragendes Frühstück.
Damit sind wir für die fast 700 Höhenmeter, die es direkt ab Berat nach oben ging, bestens gerüstet. Wir kommen auf einer Nebenstraße gut voran und so können wir nach zwei Stunden bereits einen Blick von oben auf unseren Ausgangsort werfen.
Nachdem wir in der höchsten Ortschaft noch einmal unsere Wasserflaschen füllen können, geht es sehr vielversprechend in die Abfahrt.
Zu früh gefreut – zwischendrin gab es immer mal wieder einige knifflige Passagen. Eine Freude im Sportmodus, aber eine Schinderei mit Gepäck.
Der Endgegner hält dann noch einmal 300 Höhenmeter für uns bereit. Zur Belohnung gibt es eine fantastische Aussicht und ein hervorragendes Abendessen.
Mittwoch, 4 Oktober

Die Aussicht von unserer Unterkunft reichen wir hiermit nach, verbunden mit folgendem Hinweis: Die Option, der nagelneuen Straße entlang des Flusslaufs zu folgen, ist keine. Wir nehmen die Straße durch die Hügel im Bild hinten links.
Die Straße wird demnächst geteert und die ersten Arbeiten sind erledigt. Wir finden unseren neuen Lieblingsbelag: schon planiert, aber noch nicht asphaltiert.

Abgesehen von einigen Baustellenfahrzeugen, jeweils einer Herde Puten(!) und Ziegen sind wir die einzigen Verkehrsteilnehmer.
Lohn der heutigen Tagesetappe ist der Naturcampingplatz zwischen Meer und einem See mit Vogelschutzgebiet bei Vlorё.

Donnerstag, 5. Oktober
Ruhetag. Wir rollen gemütlich vom Campingplatz in die Stadt. Unterwegs bekommt das Tandem etwas Pflege spendiert. „Only water, please.“ Nach 30 Sekunden ist das Bike komplett eingeschäumt.

Mit blitzblankem Tandem fahren wir die Uferpromenade einmal hin und zurück und besuchen dann den kleinen Ortskern. Keine Abenteuer.
Gestern Abend gelingt mir endlich wieder ein tierischer Schnappschuss – eines Mitbewohners des Campingplatzes.

Freitag, 6. Oktober
Auf der Etappe von Vlorё nach Diviakё gibt es keine besonderen Vorkommnisse.

Samstag, 7. Oktober
Nach einer drögen 50-km-Etappe auf schnurgeraden Landstraßen und entlang der Autobahn haben wir einen wunderschönen Campingplatz gefunden.

Wir hängen direkt am Meer. Den Sonnenuntergang können wir direkt von unserem Platz aus bewundern. Anschließend gehen wir über den Steg auf die kleine Insel rechts im Bild, auf der sich das Restaurant befindet.
Dort haben wir uns mit einem Rentnerpärchen festgequatscht, das abwechselnd mit Boot und Wohnmobil in den Urlaub fährt. Eines ihrer Projekte ist es, mit dem Boot über die europäischen Flüsse bis zur Donaumündung ins Schwarze Meer zu fahren. Dann geht es um Europa herum über das Meer nach Deutschland zurück. Geschätzte Dauer: 18 Monate.
Nach einem letzten Kaffee vor ihrem Wohnmobil wiegen uns die Meereswellen in den Schlaf.
Sonntag, 8. Oktober
Ein Tag ist noch übrig, bevor wir morgen die Rückreise nach Tirana antreten. Da der nächstgrößere Ort Durrёs als Touristenhochburg bekannt ist, beschließen wir, dort nur auf ein Eis vorbeizuschauen. Vorher fahren wir die ersten Kilometer der morgigen Etappe durch die Berge ab. Zum Glück.
Die steilen, sandigen, ausgewaschenen oder verblockten Wege sind schon ohne Gepäck eine Herausforderung. Am höchsten Punkt angekommen sieht plötzlich alles wieder gut aus, und wir könnten die Abfahrt auch locker mit Gepäck fahren.

Trotzdem werden wir morgen die Autostraße nehmen.
Montag, 9. Oktober
An unserem letzten Tag erleben wir im Zeitraffer noch einmal alle Abenteuer unserer Reise. Das schattige Plätzchen und das Meeresrauschen sorgen dafür, dass wir erst nach 7 Uhr aus unserem Zelt klettern. Wir bauen in aller Ruhe unser Lager ab und radeln dann nach Durrёs. Dort genießen wir in einem Strandhotel das Frühstücksbuffet mit Blick aufs Meer.

Anschließend geht es auf viel befahrenen Hauptstraßen, kilometerlangen Passagen neben der Autobahn und wunderschönen Nebenstraßen zurück Richtung Tirana.
Während ich mich freue, dass unser Tandem trotz deformierter Bremsscheibe so gut durchgehalten hat, reißt uns am steilsten Anstieg die Steuerkette. Mit dem passenden Werkzeug und einem Ersatzkettenglied sitzen wir nach 13 Minuten wieder auf dem Bike.
Rufende und winkende Kinder, hupende Autos, Getränke nachfüllen am Straßenrand. Business as usual.
Ich teste noch einmal mein leistungsminderndes Geheimrezept: die Homöopathisotonisierung meines Getränks in der Radflasche. Ich starte morgens mit Wasser und einer Isotablette und Fülle im Laufe des Tages Wasser nach.
Am frühen Nachmittag treffen wir am Hotel ein und der Kollege, der uns verabschiedet hat, begrüßt uns freudig und serviert zwei Eiskaffees.

Mit einem Abendessen beim Italiener und einem Absacker beim Kubaner lassen wir den Urlaub ausklingen.
